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arcAKTUELL 2.2015 - Städte und Dörfer

Vom ungeliebten Kontrollsystem zur wichtigsten Geoinformation Hausnummern scheinen keine Geschichte zu haben, so selbstverständ- lich und alltäglich sind sie für uns geworden. Aber gerade das baye- risch-schwäbische Augsburg kann diesbezüglich eine außergewöhnliche Historie vorweisen. Die ursprünglich interne Bezifferung der 52 ersten Häuser der Fuggerei gilt als weltweit älteste noch gültige Hausnumme- rierung. In der berühmten Sozialsiedlung der Kaufmannsfamilie Fugger sind außerdem einige der gotischen Hausnummern aus dem Jahr 1519 bis heute erhalten geblieben. Als Durchbruch bei der Hausnummerierung gilt das Jahr 1750, als alle Häuser von Madrid eine fortlaufende Nummer erhielten. Bei der glei- chen Aktion 1794 in Köln entstand die Adresse „4711“, die schon bald einer berühmten Parfümerie den Namen geben sollte. Die stadtweiten Nummerierungen geschahen nicht, um den Menschen die Orientierung zu erleichtern. Vielmehr sollte der staatliche Zugriff auf die ­Bewohner verbessert werden, insbesondere für Steuereintreiber, Polizei und Re- krutierungsoffiziere. Beim bisherigen Ordnungssystem mit meist nicht sichtbaren Hausnamen, oft ähnlich oder sogar gleichlautend, war man auf die Auskunftsfreudig- keit der Untertanen angewiesen. „Die Hausnummern sollen Bettler be- kämpfen sowie liederliche und gefährliche Leute ausfindig machen“, ver- suchte man die neue Kontrolltechnik zu rechtfertigen. Trotzdem wurden diese Hausnummern immer wieder beschmiert, zerkratzt oder entfernt. In der Freien Reichsstadt Augsburg fand im Jahr 1781 die erste stadtweite Adressierungsaktion statt. Die Ratsherren hatten sich für eine viertel- weise Durchnummerierung entschieden. So wurde Augsburg innerhalb der Stadtmauern in acht Litera-Bezirke A bis H aufgeteilt. Für jedes ein- zelne Anwesen kam eine Nummer hinzu und definierte so die amtliche Adresse. Es gab nur eine Ausnahme: In der Fuggerei machte man die seit 1519 internen Hausnummern 1 bis 52 zu den amtlichen Adressen „Fuggerei 1 bis 52“. Die prominenteste Anschrift „A.1“ erhielt damals ein Brauereigasthof, das heutige Restaurant Capitol. Hier am zentralen Merkurbrunnen in der Maximilianstraße trafen die vier Litera-Bezirke A bis D aufeinander. Ein aufmerksamer Beobachter kann heute noch etli- che alte Hausnummern in der Innenstadt entdecken. Die Litera-Adressierung stieß an ihre Grenzen, als Augsburg immer mehr über die Stadtbefestigung hinauswuchs. Die Schaffung eines zusätz­ lichen Litera-Bezirks J für den Bereich außerhalb der Stadtmauern half nur wenig. Im Jahr 1879 führte man im Außenbereich und 1938 in der Innenstadt das bis heute gültige Prinzip der Hausnummerierung entlang der Straßen ein. Gerade Hausnummern werden vom Stadtzentrum aus gesehen an der rechten Straßenseite, ungerade Hausnummern an der linken Straßenseite festgelegt. Wieder wurde der Fuggerei eine Son- derstellung zugestanden: Die bisherigen Adressen „Fuggerei 1 bis 52“ blieben in der mit Mauern abgeschlossenen Sozialsiedlung trotz amt­ licher Gassennamen bestehen. Die kaum bekannte Geschichte der Adressierung in Augsburg Links: Die halbe 8 in gotischer Schrift bedeutet eine 4. Diese ursprünglich nur interne Hausnummer „Fuggerei 4“ entstand mit dem Bau der Sozialsiedlung im Jahr 1519. | Mitte oben: Diese von 1781 bis 1938 gültige Adresse „G.311“ befand sich im Litera-Bezirk G, der südlichen Jakobervorstadt. Die heutige Anschrift heißt „Oberer Graben 45“. | Rechts oben: Eine der rund 41.300 Augsburger Adressen lautet „Bahnhofstraße 18 1/2 a“. Hausnummern-Zusätze wie die Kombination aus Bruchzahl und Buchstabe gelten als Rarität. | Unten: Die auf Straßen bezogenen Hausnummern wie „Lauterlech 39 bis 45 b“ gibt es stadtweit erst seit dem Jahr 1938. Buchstaben verweisen auf rückwärtige Gebäude. s c h w e r p u n k t12 Anschrift heißt „Oberer Graben 45“. | Rechts oben: Eine der rund 41.300 Augsburger Adressen lautet „Bahnhofstraße 181/2 a“. Hausnummern-Zusätze

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