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arcAKTUELL 1.2013 - Leben in der Stadt

E S R I H A N D E LT 55 Transformation – wie wollen wir in 30 Jahren leben? Ein Kunstprojekt mit Augmented Reality Kunst befasst sich von jeher mit Bildern, die eine Schnittmenge aus Re- alem und Hypothethischem präsentieren. Das klassische Gemälde ist das Resultat eines Transformationsprozesses, bei dem sich Gesehenes, Erlebtes und Erdachtes zu einer Gesamtkomposition manifestieren. Vor diesem kunstgeschichtlichen Hintergrund wird deutlich, dass die Kunst oft entscheidende Impulse durch die Medientechnologien erhält. Die Entwicklung der Fotografie Mitte des 19. Jahrhunderts oder des Videos in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zeigt, welchen Einfluss Tech- nologien auf die Gedanken und Visionen der Künstler haben und wie sehr sie inhaltlich und strukturell ihre Arbeiten bereichern. Es ist also nicht verwunderlich, dass gerade die Technik der Augmen- ted Reality (AR) von grossem Interesse für Künstler ist: Die Grenzen zwi- schen der physischen und der virtuellen Wirklichkeit weichen auf, das Reale und das Fiktive werden zu einer neuen Realitätsebene verwoben. Noch stecken die Anwendungsmöglichkeiten und die Displays in den Kinderschuhen (zu starr sind die Oberflächen der Tablets und Smart- phones), doch in nicht allzu ferner Zukunft wird die Distanz zwischen Auge und Bildschirm nahezu vollständig verschwinden. Dann wird AR selbstverständlicher Bestandeil unseres Alltags sein. Aber auch heute bietet AR bereits spannende Möglichkeiten für kreative oder wissen- schaftliche Forschungsarbeiten, zum Beispiel lassen sich reale und his- torische Fakten zu hypothetischen Szenarien verknüpfen. Das dem Medium innewohnende Visionäre ist auch die Grundlage für die Arbeit der amerikanischen Künstlerin Tamiko Thiel. Mit ihrem AR- Projekt Transformation (München-Lehel), das im Rahmen der transdis- ziplinären Reihe overtures ZeitRäume* entstand und im Herbst 2012 in der St.-Lukas-Kirche München als Pilotarbeit erstmals öffentlich vorge- stellt wurde, hat Thiel eine urbane Zukunftsvision für den Münchner Stadtteil Lehel entworfen. Ausgangspunkt war die Frage: Wie wollen wir in 30 Jahren leben und was bedeutet das für uns heute? Die Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern und Bürgern vermittelte der Künstlerin ein vielschichtiges Bild- und Wissensmaterial, das sie in eine spannende Zeitreise im Lehel verwandelte. Thiels Interpretationen visu- alisieren einerseits Fantasien bzw. das scheinbar Unmögliche als poten- zielle Lösung für ein Überleben und Zusammenleben, andererseits er- halten wir wertvolle ortsspezifische Kenntnisse durch die Einbindung historischen und aktuellen Kartenmaterials. Dank der Augmented-Reality-Technik können wir mit unseren Smart- phones animierte 3D-Objekte (Windräder, Wasserräder) sowie Bilder (Sonnenblumen) und Textelemente direkt vor Ort als eine die „reale“ Umgebung überlagernde Realitätsebene erleben und damit die Vor- stellung einer neuen Wirklichkeit gewinnen. Ergänzend zur transdisziplinären Veranstaltung in der St.-Lukas-Kirche wurde Transformation (München-Lehel) als eine bewegte, mehrkanali- ge Videocollage aus realen Alltagsbildern mit Texten, Livevideo- und Tonaufnahmen installiert und war auf einem interaktiven ArcGIS Stadt- plan in der Kirche verortet. Das Projekt ist im Internet abrufbar: ArcGIS: www.mission-base.com/tamiko/trans/map AR-Anwendung: www.mission-base.com/tamiko/trans Bei Transformation besticht nicht nur die künstlerische Qualität, das zu- kunftsweisende Projekt belegt gleichermassen, welch bedeutsame Rolle Kunst für die Technik spielen kann bei der Erprobung neuer Errun- genschaften im öffentlichen Raum, aber auch für die Kommunikation wissenschaftlicher Erkenntnisse als Beitrag für den viel beschworenen gesellschaftlichen Transformationsprozess. Die AR-Arbeit von Tamiko Thiel versteht sich daher als ein langfristig an- gelegtes Forschungs- und Entwicklungsprojekt, das in anderen Regio- nen fortgesetzt werden soll. Die Künstlerin studierte Produktdesign an der Stanford University in Kalifornien, Maschinenbau und Computergra- fik am MIT (Massachusetts Institute of Technology) in Cambridge, USA, und Kunst an der Akademie der bildenden Künste in München. In ihren Arbeiten verknüpft sie die Entwicklung und Anwendung neuer Techno- logien mit sozialem und gesellschaftskritischem Engagement. Pilotraum01 Dr. Christian Schoen www.pilotraum01.org * Die fortlaufende Veranstaltungsreihe overtures ZeitRäume steht für zukunftsorientierte spekulative Szenarien, die von Künstlerinnen und Künstlern im Dialog mit Wissenschaftlern unter Einbeziehung gesellschafts- und umweltrelevanter Herausforderungen entwickelt werden. ++ Tamiko Thiel – ausgewählte Projekte Zahlreiche internationale Ausstellungen, unter anderem bei Siggraph, ISEA, am Tokyo Metropolitan Museum of Photography, International Center for Photography/New York und dem Institute of Contemporary Arts/London „Starbright World“, ein in Kooperation mit Steven Spielberg entstandener Virtual-Reality-Spielplatz für schwer kranke Kinder, wurde mehrfach preisgekrönt Die VR-Installation „Beyond Manzanar“ ist in die ständige Sammlung des San Jose Museum of Art in San Jose, Silicon Valley, Kalifornien aufgenommen worden

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