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arcAKTUELL 1.2013 - Leben in der Stadt

S C H W E R P U N K T28 Problem Luftverschmutzung ist in Grossstädten schon seit Langem ein Problem. Um die Gesundheit der Bevölkerung zu gewährleisten, muss der Staat dafür sorgen, dass die Luft der Umgebung möglichst sauber ist. Um nachzuweisen, wie sauber die Luft ist, stehen verschiedene Methoden zur Verfügung. Zum einen gibt es chemische Verfahren, mit denen man die Konzentrationen unerwünschter Stoffe misst. Zum anderen können anhand von Bioindikatoren Aussagen über die Sauberkeit der Luft ge- macht werden. Fragestellung und Eigenschaften von Flechten Wir stellten uns in einem Projekt im Rahmen des NWM-Unterrichts (Na- turwissenschaftliche Methoden) die Frage, wo genau die Luft in Bern verschmutzt ist und ob sich die Luftqualität in den letzten Jahren ver- bessert oder verschlechtert hat. Um dies herauszufinden, untersuchten wir die Rinde von verschiedenen Baumarten in verschiedenen Quartie- ren der Stadt Bern. Auf den Rindenoberflächen dieser Bäume leben Flechten, die damit zu den Epiphyten zählen, also auf anderen Pflanzen vorkommenden Ge- wächsen. Ausserdem bilden Flechten Gemeinschaften von zwei ver- schiedenen Lebewesen, Pilzen einerseits und Fotosynthese betreiben- den Organismen wie Grünalgen oder Cyanobakterien andererseits. Die beiden beteiligten Lebewesen leben in Symbiose. Der Pilz (Mykobiont) stellt den Vegetationskörper dar, während die andere Spezies als Pho- tobiont dient. Die Fotobionten versorgen die Mykobionten mit Nähr- stoffen aus der Fotosynthese, wofür sie vom Mykobionten vor Austrock- nung geschützt werden. Der Mykobiont profitiert allerdings stärker von dieser Symbiose und dominiert sozusagen den Photobionten, da er sei- ne Zellteilungsrate kontrolliert. Man spricht auch von kontrolliertem Pa- rasitismus. Flechten können mehrere Hundert Jahre alt werden, einzel- ne Exemplare, zum Beispiel aus Grönland, sind 4.500 Jahre alt. Sie bilden die Hauptnahrungsquelle von Rentieren und Elchen, werden aber auch von Schmetterlingslarven und weiteren Tierarten genutzt. Flechten sind wahre Überlebenskünstler, da man sie sogar in der Ant- arktis und auf 5.000 Meter über dem Meer im Himalaja antrifft. Man fin- det sie zudem in Mooren, daneben existieren Arten, die dauerhaft un- ter Wasser leben. Flechten überstehen in Trockenstarre Temperaturen von –47 bis +80 Grad Celsius. Da Flechten ihre Nahrung ungefiltert aus ihrer Umgebung aufnehmen, dienen sie als Zeigerorganismen für die Luftsauberkeit. Je sauberer die Luft ist, desto weniger ist die Wechselwirkung zwischen Pilz und Foto- synthese betreibendem Organismus gestört. Demnach kommen bei sauberer Luft mehr Flechten vor. These Unsere Hypothese lautete folgendermassen: Die Luftqualität in der Um- gebung Bern hat sich in den letzten 20 Jahren verbessert, während die Luft in Quartieren mit höheren Verkehrsdichten stärker belastet ist. Letz- teres sollte vor allem im Stadtzentrum der Fall sein. Operationalisierung In unserer Arbeit gingen wir davon aus, dass sich die Qualität der Luft sowohl an der Anzahl der Flechten als auch an der Anzahl ihrer verschie- denen vorkommenden Arten ablesen lässt. Dazu untersuchten wir eine Testfläche mit zehn Unterflächen auf der Baumrinde. Für jede einzelne Flechtenart wurden die Unterflächen gezählt, auf denen die Art vorkam. Die Testfläche lag ungefähr auf Brusthöhe und entsprach derjenigen Fläche auf dem Umfang, die die grösste Flechtendichte aufwies. Das hier vorgestellte Verfahren wurde vom World Wide Fund for Nature (WWF) zur Standardisierung von mehreren Schulprojekten entwickelt, die sich mit der Kartierung von Flechten auseinandersetzen. Untersucht wurden dabei von uns folgende Trägerbäume: Linden, Spitzahorn, Esche und Eiche. Die verschiedenen Flechtenarten waren Gelbpulver- flechte, Gelbblattflechte, Blasenflechte, Lindenflechte, Runzelflechte und Pflaumenflechte. Die zu untersuchenden Bäume mussten dabei gerade, freistehend und unverletzt sein, der Umfang des Stamms muss- te 90 bis 280 Zentimeter betragen. Für die zu zählenden Flechten galt, dass sie mindestens Bleistiftdicke aufweisen mussten. Auswertung Wie auf der Karte (siehe Seite 29) zu erkennen, ist die Luftbelastung in der Berner Altstadt hoch; am höchsten ist sie allerdings am Ostring. Weiterhin sieht man, dass die Luft in Quartieren wie Köniz oder Oster- mundigen ebenfalls stärker belastet ist, was möglicherweise auf den dichten Abendverkehr zurückzuführen ist. Auffällig gegenüber Untersu- chungen von 1990 und 2004 ist, dass sich der Schwerpunkt der Luftbe- lastung von der Altstadt (Bahnhof) zum Ostring hin verschoben hat. Die Frage, ob sich die Luft im Allgemeinen verbessert hat oder nicht, kann nicht beantwortet werden, da wir bei unserer Karte andere Berech- nungsmethoden als bei den zurückliegenden Untersuchungen verwen- det haben. Die Farben repräsentieren also nicht die gleiche Luftquali- tät wie bei den älteren Karten. Die These, dass die Luftbelastung am Bahnhof am grössten ist, wurde falsifiziert. Verifiziert wurde die These, dass die Luftbelastung in Quartieren mit dichtem Verkehr gross ist. Eine Erklärung für die Verschiebung der Luftbelastung zum Ostring hin könn- te der Bau eines mit der Straße verbundenen Doppelkreises sein. Es wurde sehr viel und recht lange an diesem Kreisel gebaut, die Bauar- beiten könnten ein Grund für die starke Belastung der Luft sein. Weiter- hin wurden am Kreisel zahlreiche Ampeln aufgestellt, die davor halten- FLECHTENKARTIERUNG Ein Schulprojekt

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