Please activate JavaScript!
Please install Adobe Flash Player, click here for download

arcAKTUELL 4.2012 - Raumbezogene Aspekte gesellschaftlicher Fragen

S C H W E R P U N K T 33 Vier spannende Wochen zwischen Grizzlys und Geysiren in Mammoth, Wyoming 25. Juni 2012 – Good morning, everybody – Hi Arthur, nice to see you! How are you getting along with the project? Ich zwicke mich in den Arm – aber nein, es ist kein Traum! Ich bin tat- sächlich hier, über 8.000 Kilometer weit weg von Deutschland, vom Na- tionalpark Bayerischer Wald, wo normalerweise mein Arbeitstag be- ginnt! Drei Jahre nachdem der erste Kontakt mit dem Zuständigen für GIS in den Nationalparks der USA auf einer GIS-Konferenz in der Schweiz zustande kam. Tatsächlich ist mein Traum wahr geworden: Ich darf vier Wochen lang ein GIS-Projekt begleiten – im Yellowstone Nati- onal Park in Wyoming!1 Yellowstone National Park – der erste Nationalpark der USA, gegründet vor 142 Jahren als „öffentlicher Park oder Vergnügungspark zur Wohl- tat und zum Vergnügen der Menschen“. Von Naturschutz war noch lan- ge nicht die Rede, obwohl es schon damals die Umweltschützer waren, die angesichts der einzigartigen und unberührten Landschaft, Tiere und Pflanzen auf die Einrichtung eines weiträumigen Schutzraums drängten. Mit geringen Finanzmitteln gingen die ersten Beauftragten ans Werk und versuchten, den riesigen Nationalpark mit immerhin 9.000 Quad- ratkilometern, der also 37-mal so groß wie der Nationalpark Bayerischer Wald ist, langsam aber sicher zu „erschließen“. 142 Jahre später ist es ein GIS-Projekt, das der Verwaltung am Herzen liegt. Im Rahmen des Backcountry Trail Use Density Project wird die Fre- quenz auf den Trails, den Wanderwegen des riesigen Parks, dokumen- tiert. Mit ArcGIS soll, aufgeteilt in circa 580 Segmente, die Visualisie- rung der Wandererdichte umgesetzt werden; Zeltplätze tauchen nur als Punktwolken auf dem Bildschirm auf. Stark frequentierte Teilstrecken der Trails lassen sich weitaus differenzierter darstellen. Warum der Auf- wand? Die Antwort findet sich in der Natur. Ein Samstag im Nationalpark. Ein grandioses Erlebnis: Kochende und Luftblasen bildende Schlammtöpfe, jeder für sich ist es wert, bei ihm zu verweilen und ihn zu bestaunen. Die Erde öffnet sich hier und spuckt heißen Schlamm in Richtung Himmel. Was haben wohl die Indianer ge- dacht, die hier schon vor 11.000 Jahren lebten? Heiße Quellen, das in die Höhe schießende Wasser der Geysire – kochend heißes Wasser, das den Menschen sofort in den Tod schicken würde, gäbe es nicht die Boardwalks, die angelegten hölzernen Wege, die alle Besucher der Hauptattraktionen in einem sicheren Abstand an die Geysire heranfüh- ren. Die ersten weißen Entdecker waren fasziniert, manch ein gläubiger Mensch muss hier die Ehrfurcht neu erfahren haben, wirkt der Mensch an diesem Ort doch so klein gegenüber den überwältigenden Natur- gewalten! 60 Kilometer lang und 40 Kilometer breit ist die Magmakam- mer des einzigen Supervulkans der USA, 10 Kilometer mächtig. Versi- ckerndes Wasser wird in ihrer Nähe erwärmt und drängt auf spektaku- läre Weise wieder an die Oberfläche. Eine kleine Wanderung führt uns hinter dem weltbekannten Hot Springs von Mammoth in ein anscheinend unspektakuläreres Gebiet. Der Weg verläuft kurvig durch das Gelände – es ist schon Abend und das Licht ist fahler geworden –, da wartet auf uns hinter einer Kurve das nächste Highlight: Ungefähr 150 Wapiti-Hirsche haben sich dieses Gelände aus- gesucht, um hier zu äsen. Wir bleiben still stehen und genießen diesen für uns so seltenen Anblick. Kein Tier sucht das Weite, wir werden wahr- genommen, dann aber ist schon wieder das Gras wichtiger. Eine Fahrt ins Lamar Valley ermöglicht eine Begegnung mit Tieren, die wir hier in Deutschland nur aus Filmen oder Geschichten über die frü- hen Prärieindianer kennen: Bisons! Ein Bison alleine ist schon etwas Be- sonderes. Das buschige Fell an Kopf und vorderem Rumpf ist sein charakteristisches Merkmal und erinnert an andere Tiere, die schon längst ausgestorben sind. Hier bevölkert eine riesige Bisonherde das weite Tal. Zählen ist unmöglich – es müssen 500 bis 600 Bisons sein, braune Tupfer in der Landschaft, die Vergewisserung, dass das hier Bi- son-Territory ist, nicht Lebensraum des Menschen! Bisons, deren Vor- fahren wie durch ein Wunder das Massaker der ersten weißen Siedler überlebt haben und seit 1872 in einem geschützten Raum leben können. Auf meinen Fahrten und Wanderungen sehe ich auch vier Wölfe und sechs Schwarzbären. Bei allen Begegnungen brauche ich nicht das Pfef- ferspray, das ich seit dem Pfefferspray-Training für Bedienstete2 des Nationalparks bei mir trage. Es ist ja auch nicht für Begegnungen mit Wölfen oder Hirschen gedacht – es soll das Leben schützen bei einer Begegnung mit einem Schwarzbär oder einem Grizzly. Der frische Abdruck einer Bärentatze gibt uns die Gewissheit – in der Nähe ist ein Grizzly unterwegs! Wir folgen dem Weg und den Spuren des Bären. Verlief der Weg anfangs noch durch eine lichte Totholzfläche, werden nun die Bäume dichter, keine gute Voraussetzung, um einen Bären rechtzeitig zu sehen. Ein Bisonkadaver versperrt den Weg, bildet aber kein Hindernis. Und dann – der Kothaufen eines Bären, ganz frisch! Hier kann der Bär hinter der Wegbiegung auftauchen, das ist ganz klar. Und so schwer es uns fällt, es ist Zeit umzukehren, um die Gefahr nicht heraufzubeschwören! Was machen aber Touristen, die hier in das Territorium der Bisons und Bären eindringen, in solch einer Situation? Zwei tödliche Angriffe von Grizzlys gab es in den Jahren 2010 und 2011 im Yellowstone National Park. Bei den Opfern handelte es sich um Tagestouristen, die auch ohne Permit die Wege des Parks für Wanderungen nutzen können. Zu erwarten, dass diese Tagestouristen sich aller potenziellen Gefahren bewusst sind, wäre vermessen. Auch wenn ein Tagestourist meint, infor- miert zu sein, so fehlen ihm doch wesentliche Anweisungen für ein Ver- halten angesichts von Bärenspuren und Bärenhaufen, ganz zu schwei- gen von einer überlegten Reaktion bei einer Begegnung mit einem ausgewachsenen Bären! Die GIS-Abteilung hat sich zur Aufgabe gemacht, gerade diese Besu- cher besser zu informieren und für sie das Risiko zu minimieren. Um dies gezielt tun zu können, wird GIS für die Darstellung von Tageswanderun- gen benötigt. Noch steckt das Projekt in den Kinderschuhen. Ein Mo- dell ist vorhanden, aber ein Expertenprogramm ist notwendig, um die gesteckten Ziele zu erreichen! Sicherlich wird es bei den eingeschränk- ten finanziellen Mitteln noch einige Zeit dauern, bis stark frequentierte Wege entsprechend sichtbar gemacht und neue Informationsmetho- den an den Trailheads (Ausgangspunkte für Wanderwege) zur Verfü- gung stehen werden. Ich habe dann doch noch „meinen“ Grizzly gesehen! Auf einer Abend- wanderung kreuzten sich unsere Wege. 15 Minuten lang war es mög- lich, ihn zu beobachten. Geraume Zeit konnte ich ihn mit dem Fernglas verfolgen, dann verschwand er. Allerdings nur, um sich einige Zeit spä- ter doch wieder auf den Rückweg zu begeben, und die Wahrscheinlich- keit wuchs mit jedem Schritt, dass er uns den Rückweg abschnitt. Da hieß es auch für uns umzukehren und auf dem gleichen Wege mit un- benutztem Pfefferspray zum Ausgangspunkt zu gelangen. Ein Umweg in der Abenddämmerung im Yellowstone National Park? Keine gute Idee! Nationalparkverwaltung Bayerischer Wald Arthur Reinelt 1 Der größte Teil des Parks liegt in Wyoming, aber auch Gebiete in Idaho und Montana gehören zum Nationalpark. 2 Der Yellowstone National Park beschäftigt 350 hauptamtliche Mitarbeiter und 450 Saisonarbeiter. ++

Seitenübersicht