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arcAKTUELL 4.2012 - Raumbezogene Aspekte gesellschaftlicher Fragen

S C H W E R P U N K T 17 und ausdrucken zu können. Um eine wie eben beschriebene sozial- oder gesundheitswissenschaftliche Analyse vornehmen zu können, muss man die räumlich dargestellten Indikatoren in detaillierter georeferen- zierter Form – also mit Koordinaten versehen – auf den eigenen Compu- ter herunterladen und mit den Statistikdaten zusammenbringen können. Esri: Ich interpretiere Ihre Aussage so, dass Geodateninfrastrukturen und Geodatenportale offenbar für Nicht-Geowissenschaftler nur schwer nutzbar sind. Wagner: Ja, es ist tatsächlich oft ein Problem, sich in Geodaten bzw. in Geodatenbanken zurechtzufinden. Das Ziel muss sein: Sobald die sta- tistischen Daten mit geografischen Koordinaten oder mit relativ kleinen Rasterzellen georeferenziert sind, müssen Geodaten leicht zu finden und herunterzuladen sein, damit man die statistischen Daten problem- los mit Geodaten kombinieren kann. Esri: Das heißt, es braucht einen räumlichen Bezugsrahmen für statisti- sche Daten: entweder auf ausgewählte Koordinaten bezogen oder aber aggregiert auf einzelne Gitterzellen, sodass man über die Gitterzellen dann den Koordinatenbezug herstellen und damit dann alles mit ande- ren Datensätzen kombinieren kann. Wagner: Genau. Und das sollte möglichst nutzerfreundlich sein. Aller- dings bin ich auch der Ansicht, dass künftig Nicht-Geodäten und Nicht- Geografen in diesem Bereich methodisch besser ausgebildet werden müssen, damit sie mit georeferenzierten Daten und den dazugehörigen Koordinatensystemen standardmäßig besser zurechtkommen. Die ent- sprechende Ausbildung in allen wissenschaftlichen Disziplinen, die von Geodaten profitieren können, steckt derzeit noch nicht einmal in den Kinderschuhen. Bislang wird – soweit ich weiß – eine sozialwissenschaft- liche Ausbildung für die Nutzung von Geodaten nur an der Sozialwissen- schaften Fakultät der Ruhr-Universität Bochum angeboten. Esri: Mehr Benutzerfreundlichkeit, die Hinwendung zum Anwender und Abkehr vom reinen Technikerumfeld: Das ist eine der großen Aufgaben der Geodatenzunft für die nahe Zukunft. Wagner: Richtig. Allerdings müssen die Anwender auch einen kleinen Beitrag leisten und sich weiterbilden. Esri: Meinen Informationen zufolge scheint es ein Problem zu sein, sta- tistische Daten in einen räumlichen Zusammenhang zu bringen. Des Weiteren gibt es noch Defizite beim Bemühen, diese Daten bereitzu- stellen, mit Metainformationen zu beschreiben und dann auch wirklich auffindbar zu machen. Wagner: Das gilt für Forschungsdaten allgemein – in jeder Disziplin. Es gilt aber insbesondere für georeferenzierte Daten, die bislang von ei- ner spezialisierten Community verarbeitet werden. Man muss viel Vor- wissen haben, damit man überhaupt einen für die eigene Analyse inte- ressanten Datensatz findet. Hier wären zentrale Portale, die möglichst wenig technisches Vorwissen erfordern, nützlich. Esri: Das wirft ein Licht auf die Zukunft: Geodateninfrastrukturen und Geodatenportale müssen benutzerfreundlicher werden. Sie sollten al- len Interessierten zugänglich sein, auch ohne Geospezialkenntnisse. Wagner: Ja, genau. Aber ein gewisses „Training“ der Nutzer wird auch dazugehören. Dabei ist im Moment die entsprechende Weiterbildung von etablierten Wissenschaftlern notwendig. Und möglichst rasch sollte Geodatenkompetenz auch in vielen Disziplinen in die regulären Aus- bildungsinhalte der Universitäten aufgenommen werden. Esri: Eine weitere Möglichkeit wäre, das mit einer stärker ausgebauten Funktionalität auf der Ebene technischer Systeme zu machen. Anstatt einzelner manueller Prozessschritte zur Verarbeitung von Geodaten bräuchten wir vorgefertigte Prozessketten, die zu einem kartografi- schen Ergebnis führten. Wagner: Noch einmal: Es geht nicht um das kartografische Ergebnis. Es geht darum, dass Geodaten in einer Form vorliegen, dass sie möglichst leicht beispielsweise mit georeferenzierten Sozial- und Gesundheits- daten verknüpft werden können. Und wenn ich von Aus- und Weiterbil- dung spreche, meine ich nicht zweisemestrige Vorlesungszyklen. Es sollte lediglich als Teil von statistisch-methodischen Lehrveranstaltun- gen in einer gewissen Zahl von Semesterwochenstunden gelehrt wer- den, wie man georeferenzierte Daten verarbeiten kann. Esri: Könnten Bibliotheken als Plattform für die Veröffentlichung von Daten eingesetzt werden? Und könnte man wissenschaftliche Veröffent- lichungen mit einem Link auf die zugrunde liegenden Datensätze über Bibliotheken archivieren, dokumentieren und bereitstellen? Wagner: Diese Tendenz gibt es ja weltweit bereits. Auch in den Natur- wissenschaften und insbesondere in den Lebenswissenschaften hat man erkannt, dass Daten, die zu einer Publikation gehören, so abgelegt werden sollten, dass sie leicht auffindbar sind und leicht reanalysiert werden können. Esri: Abschließend noch die Frage: Wie geht es weiter mit dem Bericht zur Georeferenzierung von Daten? Was erhoffen Sie sich vom For- schungs- und vom Innenministerium? Wagner: Das Innenministerium ist offenkundig mit dem Bundesamt für Kartographie und Geodäsie im Gespräch, um einen besseren Service für den Zugriff auf Geodaten aufzubauen, die dann wissenschaftlich oder auch gewerblich weiterverarbeitet werden können. Beim Bundesministerium für Bildung und Forschung, dem BMBF, gibt es meines Wissens nach keine speziellen Initiativen. Aber das BMBF bietet ja sehr viel Drittmittelforschung an. Und hier ist, glaube ich, in der Leitung des BMBF in letzter Zeit das Verständnis für die Bedeutung ge- oreferenzierter Daten deutlich gewachsen – nicht zuletzt durch die AG „Georeferenzierung von Daten“ des Rats für Sozial- und Wirtschaftsda- ten, der wir ja beide angehört haben. Das wird sich sicherlich auch in künftigen vom BMBF finanzierten Forschungsprojekten zeigen, wenn es entsprechende Initiativen und Forschungsanträge aus der Wissenschaft heraus gibt. Esri: Wie wird die Arbeit der AG „Georeferenzierung von Daten“ wei- tergeführt? Wagner: Der Rat für Sozial- und Wirtschaftsdaten plant – wie es seine Arbeitsgruppe selbst angeregt hat – eine jährliche Veranstaltung, bei der alle Stakeholder zusammenkommen. Und künftig stoßen vielleicht auch immer mehr Hochschullehrer dazu, die Interesse an georeferen- zierten Daten haben. Aus ganz unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen heraus – das reicht beispielsweise von der Demografie über die Medizin, öffentliche Gesundheitswissenschaften, Politikwissenschaft und Soziologie bis zur Volkswirtschaftslehre. Esri: Ich wünsche diesem Thema diese positive Resonanz! Herr Prof. Wagner, herzlichen Dank für dieses Gespräch! Das Interview führte Prof. Dr. Gerd Buziek von Esri Deutschland. ++

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