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arcAKTUELL 4.2012 - Raumbezogene Aspekte gesellschaftlicher Fragen

S C H W E R P U N K T 15 Veranschaulichung der räumlichen Verteilung von Minderheiten In deutschen Großstädten werden seit einigen Jahren rückläufige eth- nische Segregationsniveaus festgestellt. Dies ist eine gute Nachricht, denn die residenzielle Segregation, die als „disproportionale Verteilung von Bevölkerungsgruppen über die städtischen Teilgebiete“ (Friedrichs, 1995) verstanden wird, gilt in der Stadtsoziologie als wesentliche Größe zur Erklärung von Hemmnissen bei der ökonomischen, sozialen und kul- turellen Integration von Minderheiten. Gleichzeitig finden aber neue Verdrängungsmechanismen von Haushalten mit geringeren Einkom- men statt. Insbesondere durch die Aufwertung innerstädtischer oder in- nenstadtnaher Wohnlagen wird eine neue Geografie der Segregation erkennbar: In zentralen Stadtgebieten leben vermehrt jüngere Haushalte mit höheren Einkommen, während randstädtische Lagen zum Rück- zugsraum weniger zahlungskräftiger Bevölkerungsgruppen werden (» Abbildung 1). Methoden zur räumlichen Analyse derartiger Trends stammen vor- nehmlich aus der US-amerikanischen Segregationsforschung und ha- ben – häufig aufgrund des Fehlens kleinräumiger vergleichbarer Daten- grundlagen – bislang in Deutschland kaum Anwendung gefunden. Mit der Bereitstellung von baublockscharfen Bevölkerungsdaten durch die Städte Stuttgart und München konnten nun erstmals ausgewählte Segregationsindizes vergleichend für deutsche Großstädte berechnet werden. Neben den Einwohnern mit Migrationshintergrund (nach der Definition der Stadt Stuttgart) standen die älteren Bevölkerungsgrup- pen (über 65 Jahre) im Fokus der Untersuchung – ausgehend von der einleitend beschriebenen Hypothese, dass sie anteilsmäßig bemerkbar aus den Innenstädten verdrängt werden. Anhand des Location Quotient und seiner Veränderung im Zeitraum von 1998 bis 2010 kann dies beispielhaft räumlich analysiert und darge- stellt werden: Dieser Index gibt den Anteil einer betrachteten Minder- heit in einer Gebietseinheit im Verhältnis zum gesamtstädtischen Anteil der Minderheit wieder. Die Abbildungen 1 und 2 zeigen die räumliche Ausprägung anhand sogenannter Heat Maps, die mit der Diffusion-Ker- nel-Methode im Geostatistical Analyst von ArcGIS erstellt wurden. Ge- genüber der kleinräumigen Geografie der Baublockdarstellung (ca. 6.000 bzw. 8.000 Polygone in Stuttgart bzw. München) hat diese Darstel- lungsform den großen Vorteil, dass sich räumliche Trends visuell ein- drücklicher abzeichnen und damit die Interpretation erleichtert wird. Wie bei jeder Generalisierung geht damit natürlich ein gewisser Verlust von Genauigkeit einher. Die Diffusion-Kernel-Methode bietet jedoch den großen Vorteil, die Richtung der Interpolation über die Definition von Barrieren (hier: unbewohnte Baublöcke, zum Beispiel Parks, reine Gewerbe- und Industrieflächen, Verkehrsinfrastruktur etc.) zu steuern und neben dem eigentlichen Interpolationswert (hier: Abweichung der Minderheit vom Stadtmittel) über ein Attribut zur Gewichtung die Be- deutung der zugrunde liegenden Entitäten abzubilden (hier: Einwoh- nerdichte) (» Abbildung 2). Dunkel- bzw. hellblaue Farben in den Karten stehen für die Tatsache, dass die entsprechenden Minderheiten in der Gebietseinheit unterre- präsentiert sind (entspricht unter 25 bzw. unter 5 bis 25 Prozent des Stadtteilmittels); eine durchschnittliche Verteilung (inklusive 5 Prozent Toleranzbereich) wird in gelber Farbe dargestellt, und dort, wo die Min- derheiten überrepräsentiert sind, zeigt die Karte dies in hell- bzw. dun- kelroten Farbtönen (5 bis 25 bzw. über 25 Prozent des Stadtmittels). Überlagert angezeigt wird die Tendenz der Entwicklung von 1998 bis 2010. Punktlinienfüllungen zeigen Gebiete, in denen eine Minderheit gegenüber dem Zustand von 1998 deutlich rückläufig ist. Dies kann ent- weder absolute Bevölkerungsverluste oder eine relative Verschiebung durch den Zuzug mehrheitlich anderer Bevölkerungsgruppen anzeigen. Die Kreuzlinienfüllungen zeigen den Gegenpart an, also Gebiete, wo deutliche relative oder absolute Zuwachsraten für eine Minderheit nach- gewiesen werden können. In der Interpretation der Ergebnisse wird deutlich, dass ältere Men- schen in den Innenstädten weitestgehend unterrepräsentiert sind und dass sich dieses Missverhältnis in den Jahren 1998 bis 2010 nochmals deutlich verstärkt hat. Offensichtlich ist die Innenstadt ein bevorzugtes Ziel der Zuwanderung jüngerer Menschen. Dagegen lassen sich zwar bei den Personen mit Migrationshintergrund deutliche räumliche Kon- zentrationen in den Innenstädten feststellen, die sich aber tendenziell abschwächen und sich teilweise in die suburbanen Zentren verlagern. Die Feststellung einer neuen Geografie der Segregation mit der nach- weisbaren Verdrängung einkommensschwächerer Haushalte stellt die Stadtentwicklungs-, die Sozial- und Wohnungspolitik zweifelsohne vor bedeutende Herausforderungen. Ein Monitoring mithilfe des hier vor- gestellten Location Quotient – ergänzt durch weiterführende Segrega- tionsindikatoren (siehe hierzu zum Beispiel Massey/Denton, 1988) – kann hierfür wertvolle Informationen bereitstellen und zu einem besseren Verständnis der gegenwärtigen Entwicklungen beitragen. Institut für Raumordnung und Entwicklungsplanung Stefan Fina Prof. Dr. Stefan Siedentop stefan.fina@ireus.uni-stuttgart.de www.uni-stuttgart.de ++ Abbildung 1: Verteilung von Minderheiten in München, gemessen mit dem Location Quotient Abbildung 2

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