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arcAKTUELL 4.2012 - Raumbezogene Aspekte gesellschaftlicher Fragen

S C H W E R P U N K T12 Untersuchung der räumlichen Verteilung der Migrationsbevölkerung im Raum Zürich Thilo Sarrazins Buch „Deutschland schafft sich ab“ entfachte 2010 eine heftige Debatte über Migration. Ein zentrales Thema, das durch Sarrazin in die öffentliche Debatte gebracht wurde, ist die von ihm vermutete Tendenz eines Teils der Migrationsbevölkerung, sich von der Mehrheits- gesellschaft abzuwenden. Es geht ihm dabei zunächst um die kulturel- le und soziale Abgrenzung, jedoch auch um die Frage der räumlichen Segregation und der Bildung von ghettoähnlichen Zuständen. Im Auftrag des Kantons Zürich haben wir die räumliche Entwicklung der Migrationsbevölkerung zwischen 2000 und 2010 untersucht. Für beide Jahre liegen Bevölkerungsdaten in einer feinen räumlichen Auflösung vor. Der überraschende Befund: Die räumliche Segregation der auslän- dischen Bevölkerung hat in diesen zehn Jahren ab- und nicht zugenom- men – nicht nur insgesamt, sondern auch in den stark segregierten Mi- grationsbrennpunkten mit einem besonders hohen Ausländeranteil. Kipppunkt-These widerlegt Dies ist überraschend, weil es der altbekannten Kipppunkt-These aus den 1970er Jahren des US-amerikanischen Wirtschaftsnobelpreisträ- gers Thomas Schelling widerspricht. Auf einen kurzen Nenner gebracht, besagt Schellings Segregationsmodell, dass mit dem Erreichen eines bestimmten Anteils an ethnischen Minderheiten oder an Immigranten in einer Nachbarschaft eine Kettenreaktion in Gang gesetzt wird. Die ansässige Bevölkerung, die sich nicht mehr zu Hause fühlt und die ei- genen Kinder anderswo zur Schule schicken will, zieht weg, das System kippt und es kommt zur vollständigen Segregation. Ausgangspunkt für Schellings Modell einer Runaway-Segregation waren amerikanische Großstädte wie New York oder Chicago mit ihrer räumlich fast vollstän- dig getrennt lebenden schwarzen und weißen Bevölkerung. Modellierte Nachbarschaften Unsere Analyse der Segregation beruht auf Hektardaten zur Wohnbe- völkerung. Räumliche Nachbarschaften halten sich allerdings nicht an Hektarzellen. Mit Focal Statistics des Neighborhood Toolsets von ArcGIS lassen sich die einzelnen Zellen in ihren unmittelbaren nachbar- schaftlichen Kontext stellen. Von den so bestimmten Nachbarschaften haben wir jene untersucht, die im Jahr 2000 einen Ausländeranteil von über 50 Prozent aufgewiesen hatten. Es handelt sich dabei um Nach- barschaften, die insgesamt 10 Prozent der Kantonsbevölkerung umfass- ten. In über 80 Prozent dieser Nachbarschaften ist der Ausländeranteil in den folgenden zehn Jahren gesunken, und dies obwohl der Auslän- deranteil im Kanton Zürich in dieser Zeit von 22 auf 24 Prozent gestie- gen ist. Dies zeigt unmissverständlich, dass die Kipppunkt-These zu- mindest für den Raum Zürich keine Gültigkeit hat. Auch an Orten, in denen die Mehrheit der Bevölkerung ausländischer Nationalität ist, setzt sich keine selbstverstärkende Segregation in Gang. Topografie des Lärms Der Schlüssel zur Erklärung steckt in den beiden Karten. Sie zeigen die Nachbarschaften mit einem besonders hohen Anteil ausländischer Per- sonen aus den traditionellen Herkunftsländern. In den vergangenen Jahren hat sich der Charakter der Zuwanderung in die Schweiz stark verändert. Neben der traditionellen Zuwanderung von Arbeitskräften vornehmlich aus dem Mittelmeerraum hat die Zuwanderung Hochqua- lifizierter aus Deutschland, dem nördlichen Europa und aus Übersee stark zugenommen. Diese neue Zuwanderung hat einen gänzlich ande- ren sozialen Charakter. Für die Frage der Brennpunktbildung im Sinne Mythos einer sich selbst verstärkenden SEGREGATION

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