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arcAKTUELL 3.2013: Karten erzählen Geschichten

s c h w e r p u n k t12 Das Bild, das wir von unserer Erde haben, basiert auf jahrhundertealten kartografischen Darstellungsweisen. In diesen traditionellen Karten­ darstellungen, in denen dicht besiedelte Gebiete den gleichen Raum erhalten wie entvölkerte Regionen, kommt die starke Prägung der Erde durch den Menschen jedoch nur unzureichend zum Ausdruck. Für be- völkerungsbezogene Fragestellungen sind konventionelle kartografi- sche Methoden daher mit erheblichen Einschränkungen verbunden, da sie kein umfassendes Abbild der sozialen Dimension der Erde darstel- len können. Gerade die Darstellung komplexer Strukturen einer globa- lisierten Welt stößt in den gebräuchlichen kartografischen Projektionen, die unsere Vorstellung der Erde bestimmen, oft an ihre Grenzen. Die hier vorgestellten Karten stellen eine alternative Visualisierungs- form für die Bevölkerungsverteilung auf der Erde vor. Sie sollen einen Beitrag dazu leisten, die angesprochene soziale Dimension der Erde durch – auf den ersten Blick – ungewöhnliche Darstellungsformen bes- ser verständlich zu machen, um damit das Problembewusstsein für be- völkerungsbezogene Fragestellungen zu schaffen. Eine bessere Visualisierung solcher Zusammenhänge gewinnt nicht zu- letzt deshalb an Bedeutung, weil die weltweite Bevölkerungsentwick- lung und demografische Fragestellungen in sicherheitspolitischen Diskussionen zunehmend Eingang finden. Die hier gezeigten Karten- beispiele können dabei ein wichtiges Element in der Analyse dieses Themenkomplexes sein. Methodik Grundprinzip der kartografischen Darstellung sind sogenannte anamor- phe Kartendarstellungen (Kartenanamorphote, im Englischen Carto- grams), die den Raum bewusst verzerrt zeigen. Dies kann auf unter- schiedliche Art und Weise umgesetzt werden, wobei thematische Transformationen in wissenschaftlicher Hinsicht von besonderer Bedeu- tung sind. Die Entfernungen in der Kartendarstellung sind dabei nicht an physischen Distanzen orientiert, sondern proportional zu einem be- liebig gewählten Attribut. Damit sind die hier stattfindenden Verzerrun- gen nicht willkürlich oder die Realität verfälschend, sondern sie basie- ren auf realen Daten und sind somit auch objektiv nachvollziehbar. Viele Beispiele waren in ihrem Darstellungswert bislang jedoch von be- grenztem Nutzen. So sind etwa in isodemografischen Karten Länder meist in einer generalisierten Rechteckform dargestellt, was dadurch eine zusätzliche Verfremdung bedeutet und nur noch entfernt einen Be- zug zu den realen Raumstrukturen zulässt. Mit der Entwicklung und zunehmenden Optimierung computergestütz- ter Rechenmethoden ist es nun möglich, neue Formen von Kartenana- morphoten mit zusätzlicher Aussagekraft zu erstellen. Sie sind damit ein gutes Beispiel dafür, wie sich das Aufgabenspektrum der Kartografie vom reinen Zeichnen der Landoberfläche hin zu einem vielfältigen Dar- stellungsmittel raumbezogener Sachverhalte gewandelt und bis heute nicht an Relevanz verloren hat. Dieser Beitrag zeigt solche mit neuesten Techniken erstellten transfor- mierten Karten, die sich von früheren Darstellungen dadurch unterschei- den, dass ihnen anstatt der Daten für eine spezifische administrative Einheit ein gleichmäßiges Raster an Bevölkerungsdaten zugrunde liegt. Jede einzelne Rasterzelle wird bei der Kartenerstellung mit jeder ande- ren Rasterzelle gegengerechnet, um daraus die korrekte Relation der Verzerrung abzuleiten und zu berechnen. Um die Nähe zu konventio- nellen Karten hervorzuheben, die unter anderem durch die Beibehal- tung der topologischen Beziehungen und der hohen Genauigkeit der Transformation entstehen, werden diese Darstellungen im Folgenden als Rastertransformationskarten bezeichnet. Sie können sowohl global als auch auf jeder beliebigen regionalen Ebene generiert werden. Auf- grund der hohen Auflösung der Basisdaten können dabei geografische Zusatzinformationen und weitere Raumebenen mit transformiert und vi- sualisiert werden. Dadurch können diese Bevölkerungskarten auch als Grundlagenkarten für weitere thematische Informationen dienen und gehen somit weit über die Visualisierungskapazitäten früherer Kar- tenanamorphote hinaus. Kartenbeispiele Die daraus resultierenden Karten zeichnen ein neues Bild der Welt. Während jede Rasterzelle eine gleiche räumliche Einheit darstellt, re- präsentiert in den neuen Karten die Größe der Zellen die reale Bevöl- kerungsverteilung innerhalb des jeweils gewählten Gebiets: Die größ- ten Rasterzellen stellen die höchsten Bevölkerungswerte in ihrer tatsächlichen Relation zu den übrigen Gebieten dar, während Gebiete ohne Bevölkerung so weit verkleinert werden, dass sie – wie dicht ge- drängte Isolinien in Landkarten – kaum noch erkennbar sind. Den dicht bevölkerten Gebieten wird in diesen Karten somit der meiste Platz ein- geräumt. Auf der Rastertransformationskarte der Weltbevölkerung (» Abbildung 1) sind die dicht besiedelten megaurbanen Regionen Ostasiens deutlich hervorgehoben. Sie zeigt beeindruckend die Dominanz der Bevölke- rung in diesen Gebieten – zum Beispiel den Ostprovinzen Chinas und weiten Teilen Indiens –, wohingegen das flächenmäßig größte Land der Erde, Russland, kaum noch wahrzunehmen ist. Die durch das zugrunde liegende Raster entstehenden Muster ermöglichen zudem eine weite- re Interpretation der Bevölkerungsverteilung: So ist in Russland mit der Bündelung der Bevölkerung im Westen des Landes auch das Macht- und Bevölkerungszentrum Moskau zu erkennen. Die entvölkerten Ge- biete Westchinas oder die menschenleeren Wüstenregionen Nordafri- kas, die nahezu den Verlauf der Wendekreise nachzeichnen, sind ebenfalls deutlich sichtbar. Die mit dem Raster transformierte Topogra- fie zeigt zudem die Beziehungen zwischen Landhöhen und Bevölke- Ansichtssache Neue Bilder des menschlichen Raums

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