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arcAKTUELL 2.2012 - Erde 2.0 - GIS und Natur

s c h w e r p u n k t 19 Deutschland ist das Land der Buchen Ohne menschliche Einflüsse wären zwei Drittel des Landes Buchenwäl- dern bedeckt – die Buche ist charakteristisch für hiesige Baumbestän- de. In diesem Ökosystem ist die Artenvielfalt besonders groß, es ist die Heimat unzähliger Tier-, Pflanzen- und Pilzarten. In natürlichen Wäldern ist die Artenvielfalt besonders groß. In den deutschen Buchenwäldern etwa sind 6.000 Tierarten heimisch. Dazu zählt der scheue Schwarz- storch genauso wie die in Baumhöhlen lebende Bechsteinfledermaus. Den Wert unserer Buchenwälder hat auch die UNESCO erkannt – und fünf deutsche Buchenwaldgebiete 2011 als Weltnaturerbe ausgezeich- net. Die Bundesregierung hat sich in internationalen Konventionen zu mehr Waldschutz verpflichtet und bereits 2007 beschlossen, zehn Pro- zent der öffentlichen Wälder unter Schutz zu stellen. Seitdem ist wenig passiert, obwohl dies dringend nötig ist: Ökologisch besonders wert- volle, alte Laubwälder sind in Deutschland selten. Doch nur rund ein Prozent des Waldes steht derzeit hierzulande unter verbindlichem Schutz vor der Säge. Nicht nur um den Waldschutz ist es in Deutschland schlecht bestellt – auch die Ökonomisierung der genutzten Wälder schreitet voran. Zahlreiche Landesforstverwaltungen wurden privati- siert, um Gewinn für die Landeskassen abzuwerfen. Der Holzeinschlag steigt seit Jahren kontinuierlich, dadurch ist der Beitrag unserer Wälder als Senke für das Klimagas CO2 von noch 80 Millionen Tonnen CO2- Äquivalent im Jahr 1990 mittlerweile auf null geschrumpft. Doch Öko- logie und Klimaschutz müssen beim öffentlichen Wald an erster Stelle stehen und Grundlage aller waldpolitischen Entscheidungen sein. Im- mer größer werdende Forstreviere und betriebswirtschaftlicher Druck auf Wald und Förster stehen dazu im Gegensatz. Die aktuelle Greenpeace-Kampagne: für mehr Schutz und Transparenz im Bürgerwald Greenpeace verstärkt daher sein Engagement für den Erhalt der alten, natürlichen Buchenwälder in Deutschland. Erster Schauplatz: die öffent- lichen Wälder Bayerns. Der Freistaat ist mit circa 800.000 Hektar Wald der größte Waldeigentümer Westeuropas und hat den größten Anteil am deutschen Buchenwaldareal. Gleichzeitig werden wichtige Wald­ daten durch die bayerische Staatsregierung zurückgehalten. Daher ist nicht ersichtlich, wo sich besonders schützenswerte Waldgebiete befin- den und wie es um ihren Schutz bestellt ist. Genau dies wollte Green- peace aber wissen und den eigentlichen Besitzern, nämlich den Bürge- rinnen und Bürgern von Bayern, den Umgang mit ihren Wäldern trans­- parent machen. Erste Greenpeace-Kartierung mit GIS in Deutschland Im Februar und März haben Greenpeace-Aktivisten ein Camp im baye- rischen Spessart1 bezogen, um mit modernster GIS-Technik den ­Zustand und den Umgang mit den Wäldern zu dokumentieren. Das Kar- tierungsverfahren mit GIS ermöglichte eine umfassende Datenerhe- bung, eine aktuelle Zustandsanalyse und eine Beurteilung der künfti- gen Forstwirtschaft in diesen Wäldern. Mit der Unterstützung durch den örtlichen Bund Naturschutz (BN) und den Landesbund für Vogelschutz (LBV) konnte Greenpeace Waldbe- stände auf knapp 7.000 Hektar erfassen. In einem besonders wertvollen Gebiet haben Greenpeace-Aktivisten auf 378 Hektar alle alten Bäume einzeln dokumentiert. Nach der Vermessung der Bäume und ihrer Be- wertung, zum Beispiel nach Biotopmerkmalen wie Spechthöhlen, wur- den die Informationen mit einem GNSS-Gerät2 erfasst. Die Speicherkar- ten mit den generierten Datensätzen wurden täglich ausgelesen und stationär in einer Gesamtkarte zusammengeführt. Aus ihr wurden Ta- geskarten für die Aktivisten erstellt, sodass die Waldgebiete systema- tisch erfasst werden konnten. Bei Temperaturen bis zu –20 Grad harte Bedingungen nicht nur für die ehrenamtlichen Greenpeacer – auch für die Technik. Insgesamt erfassten die Aktivisten 23.844 Einzelbäume und erstellten aus den Daten zahlreiche Karten.3 Sie zeigen unter anderem die Stand- orte alter Buchen und Eichen und die Anzahl besonders wertvoller Bio- top- und Uraltbäume. Dabei dokumentieren sie aber nicht nur die Schönheit und Einzigartigkeit des Gebiets, sondern decken auch auf, wie sehr die industrielle Forstwirtschaft diese Wälder bedroht. Denn auch Kahlschlagflächen und die Pflanzstandorte nicht heimischer Na- delbäume in alten Laubwäldern wurden erfasst. Die Kartierung hat be- stehende Befürchtungen bestätigt – die Forstwirtschaft befindet sich an einer Wegscheide: mehr Holz oder mehr Wald? Damit unsere Bürgerwälder vorrangig dem Gemeinwohl, also dem Na- tur- und Klimaschutz, der Erholung der Menschen und der Schönheit der Regionen, dienen können, fordert Greenpeace einen befristeten Einschlagstopp für alte Laubwälder in öffentlichem Besitz. Und zwar so- lange, bis das Ziel der Bundesregierung umgesetzt ist, zehn Prozent der öffentlichen Wälder rechtlich verbindlich zu schützen. In diesen Ökosys- temen darf die Natur wieder nur Natur sein, und die Wälder können sich zu Urwäldern von morgen entwickeln. In 90 Prozent der deutschen Wälder soll weiterhin die umweltfreundliche Ressource Holz genutzt werden – und zwar durch ökologische Bewirtschaftung. Weitere Informationen: www.greenpeace.de/buchenwaelder Greenpeace Germany Gesche Jürgens ++ 1 Der Spessart wurde als zentraler Baustein eines gesamtdeutschen Buchenwälder-Schutzverbunds identifiziert und als erstes Kartierungsgebiet ausgewählt. Vgl. Panek, N., Deutschlands internationale Verantwortung, Rotbuchenwälder im Verbund schützen, Studie im Auftrag von Greenpeace, 2011. 2 Verwendet wurde der GRS-1 (Geodetic Rover System) von Topcon, ein tragbarer referenznetzfähiger Zweifrequenz-GNSS-RTK-Empfänger und Feldrechner. 3 Kompletter Abschlussbericht unter: www.greenpeace.de/fileadmin/gpd/user_upload/themen/waelder/wald_monitoring.pdf.

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