„Kommen Sie nach der Vorlesung mal zu mir“, sagte Professor Dr. Beiers- dorf. Ein unangenehmes Gefühl machte sich in meiner Magengegend breit, vielleicht hätte ich doch etwas zurückhaltender sein sollen. Mit nicht ganz so festen Schritten ging ich nach der Vorlesung den Rang hinunter. „Sie waren Zeitsoldat? Als was waren Sie eingesetzt?“, fragte er. Ich antwortete etwas zögerlich: „Als Ausbilder für Laufbahn und Verwen- dungslehrgänge, aber grundsätzlich war ich als Verpflegungsgruppen- führer eingesetzt.“ Er lächelte freundlich, Küche sei gut, Küche könne man immer gebrauchen, und ein Koch fehle ihm noch. Ja, ich habe tatsächlich Koch gelernt. In einem kleinen Hotel in Thürin- gen. Von der Spülküche zur Gemüsevorbereitung an den Herd. Nach meiner Ausbildung leistete ich Wehrdienst in Tauberbischofsheim, na- türlich als Koch. Es fühlte sich wie ganz normale Arbeit an, mit Schicht- und Wochenenddiensten. Nur die Zahl der murrenden Gäste war höher, manchmal berechtigterweise, manchmal auch nicht. Im darauffolgenden Sommer arbeitete ich in einem Hotel im schweizerischen Gunten. Für die Fähigkeiten, die ich mir dort aneignen konnte, bin ich Herrn Schweizer, dem Küchenchef, heute noch dankbar. Aber das Heimweh war zu groß. Relativ spontan bewarb ich mich bei der Bundeswehr als Zeitsoldat, denn die Arbeit hatte wirklich Spaß gemacht. So blieb ich zwölf Jahre bei der Bundeswehr in den verschiedensten Ver- wendungen. Anfangs in der Küche, vom kleinen Soldaten bis zum Ver- pflegungsgruppenführer (Küchenfeldwebel). Später als stellvertretender Geschäftsführer der Kur-Mainz-Casino-Gesellschaft, Ausbilder für ver- schiedene Lehrgänge und Redaktionsfeldwebel beim bundeswehreige- nen Radiosender, um nur ein paar Stationen zu nennen. Also eine ziem- lich bunte und sehr interessante Zeit. Ein enormer Vorteil der Bundeswehr ist ihr Weiterbildungsangebot. Ich wurde zum Küchenmeisterlehrgang geschickt, konnte den Deutschen Wirtbrief machen und bekam sogar eine Ausbildung zum Barkeeper an einer der besten Barkeeper-Schulen Deutschlands. Es wäre fatal gewesen, das erworbene Wissen brachliegen zu lassen, also arbeitete ich neben- bei als redaktioneller Mitarbeiter bei einem regionalen Radiosender, als Barkeeper und DJ. Ich konnte viele Erfahrungen sammeln und Eindrücke gewinnen, vor allem aber die Erkenntnis, was ich dauerhaft machen wollte und was lieber Hobby bleiben sollte. Gegen Ende meiner Dienstzeit bekam ich die Möglichkeit, mein Abitur an einer Bundeswehrfachschule nachzuholen, ich schnitt nicht als Bester ab, hatte aber bestanden. Auf die Frage, wie es bei mir nach dem Abitur weitergehen würde, ant- wortete ich unbedacht: „Ich werde Förster.“Der Gedanke gefiel mir. Ich entschied mich, Forstingenieurwesen zu studieren. Während meines Bachelor-Studiums wurde ich zum ersten Mal mit der Wunderwaffe GIS konfrontiert und lernte erste Grundkenntnisse im Umgang mit ArcMap und Online-Applikationen. Mein Praxissemester an der Bayerischen Lan- desanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) in Freising war stark ge- prägt von der Arbeit mit ArcGIS. Ich analysierte die klimatischen Ver- änderungen in Bayern mittels Rasterdatensätzen. Die Darstellung der Ergebnisse in einem Diagramm empfand ich als nicht zufriedenstellend. So entstand die Idee, aus diesen Datensätzen mit ArcMap ein Video zu erstellen, um die zeitlichen und regionalen Veränderungen zu visu- alisieren. Dieses Projekt wurde zu meiner Hauptbeschäftigung im Prü- fungszeitraum. Ein zweiter Schwerpunkt an der LWF war das Thema Waldbrand. Dar- über verfasste ich meine Bachelor-Arbeit. Ich analysierte die räumliche Verteilung von Waldbränden in Bayern und entwickelte ein Tool zur Berechnung verschiedener Waldbrandindizes, um ihre Aussagen zu vergleichen (» Abbildung 1). Nun stehe ich hier, mit etwas weichen Knien, und Professor Beiersdorf lächelt immer noch. Im Rahmen einer Reservistenkameradschaft unter- stütze er das Landratsamt Freising im Katastrophenschutz, erzählt er mir und fragt mich, ob ich an einer Mitarbeit interessiert bin. Ja, natürlich. Eine interessante und sinnvolle Aufgabe. Gekocht habe ich dann leider nicht, aberichkonntemeineKenntnisseimUmgangmit ArcMapundräumlichen Analysen einbringen. Um die Vorteile eines Geoinformationssystems im Katastrophenfall zu zeigen, erstellte ich zusammen mit Professor Bei- ersdorf eine fiktive Gefahrenstudie und führte sie im bayerischen In- nenministerium vor. Doch leider finanzierten sich ein Studium und eine damals noch dreiköpfige Familie nicht von allein. So tauschte ich meine Arbeit bei den Freisinger Reservisten gegen einen Job als studentische Hilfskraft bei Esri. Anfangs als Praktikant, später als studentische Hilfskraft unterstützte ich die Schulungsabteilung von Esri beim Erstellen von Schulungs- unterlagen für die Sparte Bundesforst der Bundesanstalt für Immobi- lienaufgaben. Vom Pfannengerichtwender zum Spatial Analyst 46 B I L D U N G U N D F O R S C H U N G Abbildung 1: Flächeninterpolation der berechneten Waldbrandkennziffern (WBKZ) für den Amtsbereich des AELF Karlstadt am 1. April 2012 (Quelle: Jürgen Kolb, Waldbrand in Bayern, Schwerpunkte und Prognosemethoden) Abbildung 2: Addition der Verdachtsparameter zum Verdachtsflächenmodell