Esri: Digitalisierung wird gegenwärtig großgeschrieben. Hilft Big Data, Entscheidungen im Kontext von Umweltpolitik, Umweltschutz und ei- ner nachhaltigen Entwicklung zu verbessern oder verlieren wir uns in der Informationsvielfalt? Töpfer: Sie unterscheiden ja selbst zu Recht – zwischen Daten und Infor- mationen. Wir sind überfüllt mit Daten, wir haben gewaltige Datenfried- höfe, die sicherlich mit viel technischem Wissen und Know-how entstan- den sind, die aber nie Informationen in dem Sinne geworden sind, dass sie entscheidungsrelevant werden konnten. Die Kunst oder die Heraus- forderung besteht ja gerade darin, diese Vielfalt von Daten so zu nut- zen, dass sie tatsächlich auch zur Information und damit entscheidungs- relevant werden. Diesen Transferprozess müssen wir immer wieder neu bewältigen und er wird in Zukunft noch wesentlich größer werden. Zu Recht sagen Sie, wir gehen in ein digitales Zeitalter hinein – ja, wir sind im Prinzip schon drin. Wir sprechen ja nicht nur vom Internet – wir gehen auf das Internet der Dinge zu. Wir wissen, dass all dies unendlich viele Nutzungsmöglichkeiten, aber auch Missbrauchsmöglichkeiten mit sich bringt. Umso deutlicher wird es, dass man das in diese Verbindung zwi- schen Daten und Informationen hineinbringt. Diese Erfahrung habe ich mehr als einmal gemacht. Eigentlich kann man mit Daten am Ende des Tages alles beweisen, aber mit Information kann man das nicht. Diese wird mit einer wissenschaftlich begründeten Hypothese verbunden. Ich glaube, diesen Transformationsprozess müssen wir schaffen. Esri: Stichwort „Internet der Dinge“: Wird Ihrer Meinung nach die Ver- netzung von Daten helfen, eine nachhaltige Entwicklung zu initiieren oder vielleicht zu steuern beziehungsweise nachzujustieren? Töpfer: Die Frage ist ja, ob Sie zum Beispiel das Internet der Dinge nutzen können, um den Warenstrom oder den in den gehandelten Pro- dukten enthaltenen Rohstoff mit zu verfolgen und ihn wieder in einen Kreislauf einzubringen? Die Nachhaltigkeit besteht darin, dass man die Kosten nicht auf die Zukunft abwälzt, sondern sie gegenwärtig mit in die Preise einbindet. Das bringt allein der Hinweis auf das Internet der Dinge ja noch keineswegs. Also, es ist ein Instrument, um Menschen deutlich zu machen: Die Wissensgesellschaft ist keine Vision, sondern mehr und mehr eine Realität. Es gibt nach wie vor die Haltung, dass wir Rohstoffe, die begrenzt sind und eigentlich für viel mehr Menschen rei- chen müssten, nach wie vor nicht in einem Kreislauf, sondern in einer linearen Denkweise nutzen und praktisch wegschmeißen. Eine Wegwerf- gesellschaft hat keine Zukunft. Wenn man nun den Gang eines solchen Produkts mit den darin enthal- tenen Rohstoffen belegen, nachverfolgen und bekannt machen kann, dann hat das eine Beweiskraft, die auch dazu führen kann, die Kreise demnächst besser zu schließen und damit nachhaltiger zu werden. Das ist richtig. Aber erneut: Es sind nicht die Daten, die uns nachhaltiger machen, sondern die Frage, welche Konsequenz wir aus Daten ziehen, welche Daten wir erheben und wofür wir sie erheben. Jemand anderes würde kommen und sagen, das Internet der Dinge sei die allgemeine Transparenz seines Lebens. Du bist der Durchleuchtete. Wie der Spiegel textete: Google weiß mehr über dich als du selbst. Wer kann genau sagen, wo dein Handy ist oder wo dein Auto gerade fährt oder was du sonst tust? Die Betrachtung derselben Sache ist sehr unterschiedlich. Es geht um die gesellschaftliche Dimension, die auch mit der Produktion und Nutzung von Daten verbunden ist. Die Tatsache, dass Big Data uns ein- mal beherrschen könnte, wird ja nicht von jemandem herbeigeredet, sondern dies ist eine berechtigte Sorge. Dass wir mit Big Data Autos bauen können, dass wir mit denselben Technologien extrem viel Gutes bewirken können, das ist alles richtig. Aber was wir gegenwärtig auf Es sind nicht die Daten, die uns NACHHALTIGER machen, sondern die Konsequenzen, die wir daraus ziehen Gespräch mit Prof. Dr. Dr. Klaus Töpfer Der studierte Volkswirtschaftler Klaus Töpfer (*1938) schlug zunächst eine Karriere als Wissenschaftler ein, ging aber Ende der 1970er Jahre in die Politik. Er war anfangs Staatssekretär und ab 1985 Minister für Umwelt und Gesundheit in Rheinland-Pfalz. Im Jahr 1987 wurde er zum Minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf Bundesebene ernannt; 1994 übernahm er das Ressort für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau. Vier Jahre später wurde er Direktor des UN-Umweltprogramms, in dieser Funktion war er bis 2006 tätig. Seitdem hat sich Klaus Töpfer wieder der Wissenschaft zugewandt; darüber hinaus hatte er verschiedene öffentliche Ämter inne, so unter anderem seit 2008 die Vizepräsidentschaft der Welthungerhilfe und 2011 den Vorsitz der Ethikkommission „Sichere Energieversorgung“ der Bundesregierung. 16 S C H W E R P U N K T