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arcAKTUELL 4.2015 - Entdecken und entwickeln - Zukunft sichern

Beim Wohnungseinbruchdiebstahl handelt es sich um eine Straftat, die das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung in einem außergewöhnlich hohen Maße beeinflusst, obwohl die absoluten Fallzahlen im Verhält- nis zur Gesamtkriminalität gering sind. Dies liegt insbesondere daran, dass der Wohnungseinbruch im Gegensatz zu anderen Straftaten keine Opferdisposition erfordert und somit jeder Opfer werden kann. Des Weiteren ist dieses Delikt mit einem Eindringen in die Wohnung und somit in die Privatsphäre des Inhabers verbunden, was für viele Opfer wie kaum ein anderes Eigentumsdelikt zusätzlich auch eine erhebliche psychische Belastung hervorruft. Diesem Umstand trägt der Gesetz- geber durch den besonderen Schutz der Wohnung im Grundgesetz und die erhöhte Strafandrohung bei Wohnungseinbruch gegenüber anderen schweren Diebstählen Rechnung. Nachdem die Fallzahlen der Kriminalstatistik für diesen Deliktsbereich in den zurückliegenden Jahren fast ständig rückläufig waren und im Ver- gleich zum Ende der 1990er Jahre mehr als halbiert werden konnten, stiegen sie im Jahr 2011 erstmals wieder deutlich an. Seit den 1980er Jahren ist wissenschaftlich belegt, dass sich Kriminalität nicht zufällig im Raum verteilt, sondern sich in sogenannten Clustern bzw. Hotspots konzentriert. Dies gilt sowohl in Bezug auf die räumliche Ausdehnung als auch auf die zeitliche Komponente, wobei die Muster im Verlauf der Zeit variieren. Erklärungsansätze dazu können Theorien liefern, die sich mit den eingrenzenden Faktoren von Raum und Zeit sowie der Mobilität von Tätern befassen. Entdeckt In den vergangenen Jahren haben Forscher in England und den USA in Studien nachgewiesen, dass nach einem ersten Wohnungseinbruch auch in der nächsten Umgebung des Tatorts für eine gewisse Zeit ein erhöhtes Risiko von Folgeeinbrüchen besteht (sogenannter Near Repeat). Von zentraler Bedeutung für die weitere Theorie wie auch die Entwick- lung von repressiven oder präventiven Gegenmaßnahmen sind dabei Ermittlungserkenntnisse der Polizei und Täterinterviews, welche die Prog- nosen der Kriminologen dahingehend bestätigen, dass gleich gelagerte Delikte, die sich in kurzer Abfolge im Tatortumfeld ereignen, in den meisten Fällen durch die gleichen Täter begangen werden. Damit lieferte das Phänomen der Near Repeats einen neuen Ansatz für die polizeiliche Verbrechensbekämpfung. Durch automatisierte und musterbasierte Erkennung von Near Repeats kann ein Frühwarnsystem aufgebaut werden, das den Einsatzkräften täglich Informationen über potenziell auftretende Nachfolgetaten liefert. Im Fokus liegen dabei sogenannte professionell agierende Täter, die neben einem quantitativ ausgeprägten Deliktsaufkommen ein erhöhtes musterhaftes Täterver- halten aufweisen. Vor allem zu Wohnungseinbrüchen gibt es eine Reihe von aktuellen internationalen Studien, die belegen, dass in geografischen Bezirken, in denen ein Einbruch stattgefunden hat, häufig in kurzer Zeit und im direk- ten Umfeld mit Folgedelikten zu rechnen ist. Dabei gingen Geografen, Mathematiker und Kriminologen der Frage nach, in welchen Interval- len Near Repeats auftreten bzw. wie hoch die Wahrscheinlichkeit ihres Auftretens ist, wobei mit unterschiedlichen räumlichen und zeitlichen Größen (200 bis 500 Meter, 2 bis 30 Tage) gearbeitet wurde. Entwickelt Auf dieser Grundlage wurde durch das Institut für musterbasierte Prog- nosetechnik in Oberhausen die Software Precobs (Pre-Crime Observa- tion System) entwickelt. Sie arbeitet nicht nur mit mathematischen und statistischen Methoden, sondern berücksichtigt auch kriminologische Faktoren wie die Begehungsweise bei der Ausführung der Tat oder die Beute. Dabei werden nur fallbezogene und keine personenbezogenen Informationen verarbeitet. Errechnete Vorhersagen, bei denen auch ein entsprechender Alarm ausgelöst wird, werden durch geschulte Polizei- beamte bewertet und anschließend an die für das betreffende Gebiet zuständige Dienststelle weitergeleitet. Infolge dieser Vorgehensweise ist die Polizei in der Lage, direkt auf Deliktsentwicklungen zu reagieren. Die Ergebnisse aus dem Test bei der bayerischen Polizei sind ermutigend. So konnte in den von der Software überwachten Gebieten ein deutlicher Rückgang der Wohnungseinbrüche festgestellt werden. Dies deckt sich auch mit Erkenntnissen aus Zürich und zeigt, dass die Methode kein „Lesen aus der Glaskugel“ ist. Sie wird ständig weiterentwickelt und somit immer aussagekräftiger. Zukunft sichern Sicherheit als zentrales Bedürfnis aller Menschen ist ein wesentlicher Faktor des individuellen Wohlbefindens und der Lebensqualität. Sie ist für die gesamte Gesellschaft Grundlage einer nachhaltigen Entwicklung und der Wohlstandssicherung. Dies wird gerade durch die Wahrschein- lichkeit, Opfer eines Einbruchs zu werden, nachhaltig gestört. Gerade im Bereich der Einbruchskriminalität treten sogenannte rei- sende Täter auf. Dies sind teilweise organisierte mobile Banden, die durch das Land fahren und Straftaten begehen. Die Ermittlung die- ser Tätergruppen stellt die Polizei vor neue Herausforderungen. Da sie sich nicht lange an einem Ort aufhalten, ist es umso wichtiger, frühest- möglich eine valide Prognose über das weitere Auftreten zu erhalten. Auch wenn es der Polizei nicht gelingt, „vor dem Täter am Tatort zu sein“, so machen wir dennoch einen kleinen Schritt nach vorn. Damit ist es möglich, Straftaten zu verhindern und das Sicherheitsbe- dürfnis der Bürgerinnen und Bürger nachhaltig zu befriedigen. Durch den ganzheitlichen Einsatz von Prävention, Aufklärung, Beratung und konsequenter Strafverfolgung wird es der Polizei gelingen, auch in Zu- kunft dafür zu sorgen, dass die Bürger ruhig schlafen können. Die Anwendung in Bayern wird komplett mit ArcGIS for Server kartogra- fisch dargestellt, da die bayerische Polizei über eine eigene Geodaten- infrastruktur verfügt. Bayerisches Landeskriminalamt Günter Okon ++ Die Software erkennt musterhaftes Täterverhalten und gibt Prognosen, wann und wo mit hoher Wahrscheinlichkeit mit Folgedelikten, sprich Einbrüchen, zu rechnen ist. Der Gefährdungsbereich ist mit roten Quadraten innerhalb eines bestimmten Stadtgebietes dargestellt. Foto: BLKA S C H W E R P U N K T 23

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