Konfliktarme TRASSENVERLÄUFE Motivation Im Rahmen der rasch fortschreitenden Energiewende ist der Ausbau der Stromnetze eine der leitenden Herausforderungen. Dabei ist die Identi- fikation möglichst konfliktarmer Trassenverläufe für Höchstspannungs- freileitungen von zentraler Bedeutung. Hierzu bieten Geoinformations- systeme wie ArcGIS eine tragfähige Visualisierungsplattform. Vor allem die Darstellung und Erklärung der Entscheidungsgrundlagen steht zu- nehmend im öffentlichen Fokus. Daher besteht die neuartige Herange- hensweise des BMWi-geförderten Forschungs- und Entwicklungsprojekts „Bewertung und Planung von Stromnetzen“ in der Entwicklung eines Verfahrens zur objektiven (semi-)automatischen multikriteriellen Iden- tifikation und Bewertung von Trassenalternativen unter gleichzeitiger Berücksichtigung raumplanerischer, ökologischer, sozioökonomischer, wirtschaftlicher und technischer Belange. Gemäß den interdisziplinären Herausforderungen besteht das Projektkonsortium aus Informatikern, Mathematikern und Raumplanern der Technischen Universität Dort- mund sowie dem Verbundpartner Spiekermann & Wegener, Stadt und Regionalplanung und dem Übertragungsnetzbetreiber Amprion GmbH. Methodik Die Operationalisierung geeigneter Kriterien zur Bewertung von Frei- leitungstrassen orientiert sich an der Schutzgutsystematik des Umwelt- verträglichkeitsprüfungsgesetzes (UVPG)1. Grundlage der Modellierung bilden unter anderem bundesweit flächendeckend verfügbare amtliche Geobasisdaten des Bundesamtes für Kartographie und Geodäsie so- wie Umweltfachinformationen des Bundesamtes für Naturschutz. Die Identifikation von Trassenalternativen in einem definierten ellipsenför- migen Suchraum2 repräsentiert ein mehrkriterielles Kürzeste-Wege- Problem. Zur Lösung wird der Suchraum in Form eines Graphen diskre- tisiert. Dies erlaubt die Berechnung alternativer Trassenverläufe in Form einer Wegsuche zwischen den Anknüpfungspunkten entlang der Kanten des Graphen. Die Bewertungskriterien werden in Form von Polygonen und Abstandspuffern modelliert und mit den Kanten des Graphen räum- lich verschnitten; ihnen werden die Querungslängen bezüglich jedes der betrachteten Kriterien zugeordnet. Im Rahmen des Projekts werden neue Verfahren zur Approximation der Menge der möglichen Pareto- optimalen Trassenalternativen zwischen den Anknüpfungspunkten erar- beitet und evaluiert3, 4. Ein Weg (Trassenverlauf) wird dabei als Pareto- optimal bezeichnet, wenn eine Verbesserung bezüglich eines Kriteriums, also eine Verringerung der Summe der zugehörigen Querungslängen, nur dann eintreten kann, wenn damit gleichzeitig eine Verschlechterung in mindestens einem anderen Kriterium assoziiert ist. Die Menge der Pareto-optimalen Trassenalternativen wird Pareto-Menge genannt. Im Gegensatz zu der in der Planungspraxis etablierten Raumwiderstands- analyse5 mit einer Bewertung der Kriterien nach Empfindlichkeit und Klassifikation nach Konfliktrisiko werden in dem neu entwickelten Ansatz erstmalig alle Kriterien (zunächst ohne Bewertung) gleichzeitig multikri- teriell optimiert (» Abbildung auf der nächsten Seite). Visualisierungssystem Durch das dargestellte Verfahren sind potenzielle Konflikte und Wech- selwirkungen zwischen dem Ausbau des Stromnetzes sowie Raum und Umwelt abbildbar, die bisher unter hohem manuellem Aufwand nur be- dingt erkennbar waren. Die Menge Pareto-optimaler Lösungen bietet dagegen einen profunden Überblick über alle relevanten Trassenalter- nativen. Für die Interpretation ist eine intuitive Navigation der Pareto- Menge notwendig. Sie wird durch eine adaptierte Benutzerschnittstelle (» Abbildung auf der nächsten Seite) implementiert und als Erweiterung eta- blierter Geoinformationssysteme, basierend auf einem interaktiven Netzdiagramm (Spider-Plot), realisiert. Dies erlaubt die tabellarische, grafische und kartografische Darstellung der Auswirkungen von Be- schränkungen maximal zulässiger Querungslängen bezüglich einzel- ner Kriterien auf die Anzahl gültiger Lösungen. Über diese Bewertung der modellierten Kriterien können geeignete Szenarien von Trassen- verläufen hergeleitet und somit konfliktarme Trassenverläufe identifi- ziert werden. Fazit Die vorgestellte objektive Methodik zur Identifikation von Trassenalter- nativen stellt eine neuartige Herangehensweise bei der Planung von Höchstspannungsfreileitungstrassen dar. Das zweistufige Verfahren aus objektiver multikriterieller Optimierung und darauf aufbauender inter- aktiver Einschränkung des Lösungsraums ermöglicht die effiziente Ermittlung geeigneter Trassenvarianten. Das interaktive GIS-basierte Visualisierungswerkzeug erlaubt es zudem, die Komplexität des Abwä- gungs- und Entscheidungsprozesses bei der Trassenfindung darzustellen. Teile dieser Arbeit wurden durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) innerhalb des Forschungsprojekts „Bewertung und Planung von Stromnetzen“ (Förderkennzeichen 03ET7505) unterstützt. Technische Universität Dortmund Dr. Frank Weichert Daniel Bachmann, Fritz Bökler, Jakob Kopec, Kira Popp, Björn Schwarze 1 Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung in der Fassung der Bekanntmachung vom 24.2.2010 (BGBl. I S. 94), zuletzt geändert durch Artikel 10 des Gesetzes vom 25.7.2013 (BGBl. I S. 2749). 2 Bundesnetzagentur: Umweltbericht 2013, Bonn 2013. 3 Brumbaugh-Smith, J.; Shier, D.: An empirical investigation of some bicriterion shortest path algorithms. European Journal of Operational Research 43, 2 (1989), 216–224; 4 Tsaggouris, G.; Zaroliagis, C. D.: Multiobjective optimization: Improved FPTAS for shortest paths and non-linear objectives with applications. Algorithms and Computation 4288 (2006), 389–398. 5 Amprion, 50Hertz, Tennet, Transnet BW, ERM, Froelich&Sporbeck, IBUe, ILS-Essen, Ingenieur- und Planungsbüro Lange: Musterantrag auf Bundesfachplanung nach § 6 NABEG, Stand: 5.9.2013 ++ S C H W E R P U N K T32