Unsere Macht als Kunde wird zunehmen, weil die Künstliche Intelligenz uns bald dabei helfen wird, uns noch bewuss- ter zu entscheiden. und zuverlässig brennt, werden wir dar über hinaus genügend Energie erzeugen, um zusätzlich Raffinieren zu betreiben, die EFuels herstellen, also synthetische Kraftstoffe, die weder Feinstaub noch CO2 ausstoßen. Die Vorteile liegen auf der Hand: Die afrikanischen Staaten ex portieren Kraftstoffe, was Arbeitsplätze und Einnahmen bringt. Zudem verbes sern sie durch den Wald ihr Klima und helfen obendrauf dabei, die Erderwär mung einzudämmen. Wald in der Sahara, der mithilfe von Meerwasser entsteht: Klingt eher wie gutmenschliche Science Fiction. Das mag sein, aber wir sind jetzt in einem Zeitalter, in dem technischer Fortschritt nur noch durch unsere Vorstellungskraft begrenzt wird. Wir stehen kurz vor dem Punkt, an dem beinahe alles, was wir um setzen wollen, technisch möglich sein wird. Wir sind mit der Digitalisierung und Big Data so weit, dass auf der Welt nicht mehr viel übrig bleibt, bei dem wir sagen müssen: Das geht aus technischen Gründen nicht. Die Kernfrage lautet da her schon heute: Haben wir den Willen, die Welt zu verändern – und sie damit gerechter zu machen? Und, haben wir ihn? Ich bin nicht naiv, ich weiß, dass es viele Hürden gibt. Es gibt mächtige Gruppen, die wenig Interesse haben, das System des Turbokapitalismus zu verändern – auch wenn er Ungerechtigkeiten schafft und uns den Klimawandel einbringt. Was ich aber auch beobachte, ist eine Bewe gung, die unten entsteht, nämlich bei uns Konsumenten. Wir Menschen haben eine wahnsinnig große Sehnsucht danach, die Dinge endlich positiv zu gestalten. Be obachten Sie doch mal, wie viele junge Menschen aus Ihrem Umfeld heute sa gen, sie benötigten kein eigenes Auto mehr. Und zählen Sie mal die Veganer und Vegetarier in Ihrem Bekanntenkreis: Es wäre ein riesiger Schritt, die Welt ge rechter zu machen und den Klimawandel abzumildern, wenn wir Wohlhabenden weniger Fleisch essen würden. Führt der Weg in eine Öko-Diktatur, die Autofahrten oder den Fleischkonsum verbieten wird? Nein, es ist in meinen Augen eine Belei digung der menschlichen Intelligenz, wenn man sagt, das funktioniere nur über Verbote. Ich habe vor Kurzem mein erstes Steak aus dem Reagenzglas geges sen, es war unübertroffen gut! Noch ist es sehr teuer, aber technisch ist es bereits möglich, ein fantastisches Steak zu essen, ohne dass dafür Wasser und Anbau fläche für die Tierhaltung verschwendet werden müssen. Ich versichere Ihnen, in wenigen Jahren wird das Steak aus dem Labor der bezahlbare Normalfall sein. Aber was, wenn Politik und Wirtschaft nicht bereit sind, die Weichen für die- sen Paradigmenwechsel zu stellen? Dann müssen wir das eben als Konsu menten tun. Getreu nach der alten An nahme, das Private sei politisch, heißt es heute: Der Konsum ist politisch. In einer marktwirtschaftlichen Demokratie ha ben wir Menschen ein Mitbestimmungs recht als Wähler – aber eben auch als Konsumenten. Immer mehr Menschen werden davon Gebrauch machen, weil sie erkennen, dass Dürren im Sommer oder Brandkatastrophen wie in Kalifor nien Ereignisse sind, die erstens immer wiederkommen und zweitens zum gro ßen Teil menschengemacht sind. Und unsere Macht als Kunde wird noch zu nehmen, weil die Künstliche Intelligenz bald dabei helfen wird, uns noch bewuss ter zu entscheiden. Wir arbeiten gerade an einer App, die Ihnen je nach Ihrem Standort Hinweise gibt, wo Sie vegan es sen können, wo Sie ein Geschäft finden, in dem Sie plastikfrei einkaufen können und so weiter. Mithilfe von Daten und ih rer Verknüpfung entsteht also ein System, das Sie dabei unterstützt, sich bewusst für Nachhaltigkeit zu entscheiden. Führt das nicht dazu, dass sich das Ge- fühl, von Technik fremdbestimmt zu werden, noch verstärkt? Im Gegenteil, es führt dazu, dass wir unser Leben verstärkt selbst gestalten. Wobei es wichtig ist, dass die Menschen lernen, das zu verstehen. Begreift ein Bürger nämlich, dass er etwas bewegen kann, dann stärkt das die Demokratie. Genauso, wie es sie schwächt, wenn die Bürger den Eindruck gewinnen, ihnen höre niemand zu oder sie könnten keinen Einfluss nehmen. Dann neigen sie zur politischen Radikalität, die ja häufig nicht mehr als ein Hilferuf ist. Was eine Demokratie also benötigt, ist das Gefühl, eine Chance zu haben. Wie kann es gelingen, in einer digitalen Demokratie so etwas wie Datengerech- tigkeit hinzubekommen? Ich mache mir da wenig Sorgen, weil die fortschreitende Digitalisierung dafür sorgt, dass die Intermediates weiter Macht verlieren, sprich die Mittelsmän ner, die für die Verlinkung sorgen. Einige sind schon fast verschwunden, zum Bei spiel brauchen Sie heute keinen CD Fachhandel mehr, um sich mit Musik einzudecken, das machen Sie übers Netz. Verstehen müssen wir nun, dass die bishe rigen großen Gewinner des Internetzeit alters wie Amazon, Google oder Facebook das meiste Geld ebenfalls als Intermedi ates verdienen: Ich gebe Facebook meine Daten, sie werden an einen Sportartikel hersteller verkauft, der mir dann neue Laufschuhe anbietet. Meine These ist, dass sich das Internet bald dahingehend verändern wird, dass wir unsere Daten souveränität zurückerhalten. Wie das? Ich setze da ganz stark auf die Block chain, die dafür sorgen wird, dass ich als Nutzer allen anderen Akteuren auf Au genhöhe begegnen kann. Die Blockchain ist genau das, was im Internet lange fehlte: eine Technik, die Transparenz verstärkt, indem sie dezentral den Da tenverkehr regelt und kontrolliert. Sie ist damit Kernstück eines neuen Inter nets, und sie wird dafür sorgen, dass die Intermediates weiter dramatisch an Ein fluss verlieren. Wer in Zukunft meine Daten will, der muss mich danach fra gen – wobei ich es bin, der angesichts des Angebots entscheidet, was ich von mir preisgebe. Zur Wahlfreiheit kommt eine Datenfreiheit dazu – und davon profitiert die digitale Demokratie. Das Interview führte André Boße WI S SEN 14